Auch im vergangenen Jahr konnte die russische Wirtschaft wieder ein beträchtliches Wirtschaftswachstum verzeichnen. Der russische Markt ist groß und lockt Jahr für Jahr zahlreiche neue Investoren an. Da beim Aufbau neuer Geschäftskontakte in Russland auch kulturelle Unterschiede im Business eine Rolle spielen, widmet sich der Blogbeitrag diese Woche den typischen Verhaltensweisen im russischen Management. Darin erfahren Sie u. a., was Sie beim Eintritt in den russischen Markt dringend beachten müssen.
Kommt man neu in ein russisches Unternehmen, so ist es zunächst sehr wichtig, von Anfang an seine Position abzustecken. Das hängt unmittelbar mit dem Kulturstandard „Hierarchieorientierung“ zusammen. Einmal auf eine Rolle in der Hierarchie festgelegt, ist es äußerst schwierig aufzusteigen – ganz im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland. Versuchen Sie sich daher, auf die höchstmögliche hierarchische Stufe zu stellen.
Verpassen Sie eine solche Einstufung auf eine hohe Hierarchie-Ebene, kann es passieren, dass Sie unter Umständen nicht mehr mit wirklich „wichtigen“ russischen Managern verhandeln können. Denn üblicherweise spricht man in der russischen Geschäftswelt nicht auf „Augenhöhe“ mit einem Mitarbeiter einer niedrigeren Hierarchiestufe. Bestehen Sie deshalb von Beginn an darauf, dass Sie ein sehr wichtiger Vertreter Ihrer Heimatfirma sind. Ein Empfehlungsschreiben Ihres Vorgesetzten oder des Firmenchefs, in dem die Bedeutung Ihrer Position hervorgehoben wird, wirkt oftmals Wunder. Eine hilfreiche Übertreibung ist zum Beispiel auch bei Ihrem Titel [auf Visitenkarten oder in Ihrer E-Mail-Signatur] möglich.
Verschönern Sie das Gesamtbild Ihres Unternehmens
Im Allgemeinen schmückt man in Russland Geschichten gerne aus. Oftmals lässt man an der einen Stelle ein paar [unwichtige] Details weg, die man an anderer Stelle hinzufügt. So verschönert man das Gesamtbild etwas. Das können Sie ruhigen Gewissens auch bei der Beschreibung Ihrer Position im Heimatunternehmen nutzen. Ein wenig Übertreibung wird Ihrem Ansehen sicherlich nicht schaden – Ihnen als Ausländer ist man sowieso geneigt, fast alles zu glauben. Denn in den Augen vieler Russen sollte man den eigenen Landsleuten am allerwenigsten trauen. Ausländer hingegen genießen per se einen Vertrauensvorschuss.
Wenn Sie sich hoch genug positioniert haben – indem beispielsweise erste Gespräche mit dem Chef geführt wurden – dann halten Sie diese Ebene! Sollten Sie von jemandem etwas benötigen, der auf der hierarchischen Leiter weiter unten angesiedelt ist als Sie, schicken Sie einen Ihrer Mitarbeiter. Durch eine persönliche Bitte Ihrerseits würde Ihr Ansehen sinken.
Sollten Sie Ihre Kollegen einmal einladen wollen, so achten Sie darauf, nur Mitglieder der gleichen Hierarchie-Ebene anzusprechen. Es würde sehr wahrscheinlich als Beleidigung angesehen werden, wenn der Chef gemeinsam mit Untergebenen eingeladen würde! Eine Ausnahme stellen Firmenfeiern dar. Doch selbst dort wird, mit Hilfe der Sitzordnung, in der Regel sehr genau auf die Rangfolge geachtet: Die Chefs sitzen meist erhöht oder in einem Séparée.
Zusätzliche Informationen: interkulturelles Training + weitere Artikel zu Russland
Wie im Artikel deutlich wird, spielen der Status und die Hierarchieorientierung im russischen Management eine wichtige Rolle. Welche anderen Aspekte u. a. in Verhandlungen und Meetings wichtig sind, erfahren Sie auch durch unser Interkulturelles Training zu Russland.
Unter folgendem Link finden Sie zudem all unsere Artikel zu Russland.
Literatur zu den Themen „interkulturelles Training“ und „Russland“
1 Herbrand, Frank [2002]: „Fit für fremde Kulturen. Interkulturelles Training für Führungskräfte“, Bern/Stuttgart/Wien: Verlag Paul Haupt.
2 Knapp, Karlfried [1995]: „Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Qualifikationsmerkmal für die Wirtschaft“, in: Bolten, Jürgen [Hrsg.]: „Cross Culture – interkulturelles Handeln in der Wirtschaft“, Sternenfels/Berlin: Verlag Wissenschaft [&] Praxis, 8-23.1
3 Kainzbauer, Astrid [2002]: „Kultur im interkulturellen Training. Der Einfluss von kulturellen Unterschieden in Lehr- und Lernprozessen an den Beispielen Deutschland und Grossbritannien“, Frankfurt a. M./London: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation.
4 Müller-Jacquier, Bernd/ten Thije, Jan D. [2000]: „Interkulturelle Kommunikation: interkulturelles Training und Mediation“, in: Becker-Mrotzek, M./Brünner, G./Cölfen, H. [Hrsg.]: „Linguistische Berufe“, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien: Lang, 39-57.
5 Fetscher, Doris/Hinnenkamp, Volker [1994]: „Interkulturelles Kommunikationstraining und das Managen der interkulturellen Situation“, in: „Sprache und Literatur“ 74/1, 67-89.