Auf den westlichen Besucher lauern im Land der aufgehenden Sonne ganz besondere kulturelle Fettnäpfchen, welche sich auch auf die geschäftliche Zusammenarbeit auswirken können. Dies bekommen deutsche Manager und Führungskräfte in Japan oft zu spüren. Daher wollen wir Sie heute mit wichtigen Hintergrundinformationen zu den Themen Hierarchie, Seniorität und Mitarbeiterführung versorgen.
Zunächst einmal gibt es in Nippon in nahezu allen sozialen Bereichen Rangunterschiede – die Businesswelt bildet dabei keine Ausnahme. Die Hierarchien in den Firmen auf dem Archipel sind dabei nicht so flach wie beispielsweise in deutschen Unternehmen, denn jedem Mitarbeiter kommt ein fester Platz zu. Auch das Alter spielt bei der sozialen Einordnung eine entscheidende Rolle. Daher wird auf den einzelnen Stufen nochmals zwischen „senpai“ [Dienst-Älteren] und „kohai“ [Dienst-Jüngeren] unterschieden.
Trotz einiger Gegenbewegungen in den letzten Jahren gilt das Senioritätsprinzip nach wie vor als wichtige Grundlage für den beruflichen Aufstieg in Japan. Dabei entscheiden die Dauer der Firmenzugehörigkeit, das Dienst- sowie das Lebensalter eines Angestellten über seinen Status, sein Gehalt sowie seine Aufgaben. Besondere Qualifikationen oder herausragende Leistungen spielen eher eine untergeordnete Rolle. Um in diesem Zusammenhang die Harmonie im Arbeitsalltag zu wahren, muss die Rangordnung stets befolgt werden. Das heißt, der japanische Angestellte sollte sein Handeln und Sprechen immer entsprechend seines persönlichen Status ausrichten – beispielweise in der Tiefe der Verbeugung oder im Höflichkeitsgrad der Sprache.
Das japanische Management-System besteht traditionell aus einer Mischung aus autoritären und humanitären Mustern: In der konfuzianischen Ethik stellten Treue, Gehorsam, Freundlichkeit und vor allem absolute Loyalität gegenüber dem Vorgesetzten unumstößliche Grundwerte dar. Hier liegen die autoritären Anteile begründet. Die Wurzeln der humanistischen Prinzipien sind dabei im Shintoismus zu finden. So konnte der Reisanbau in den Dörfern früher nur in Kooperation des gesamten Dorfes erfolgreich betrieben werden – gegenseitige Hilfe war dabei unabdingbar.
Väterliche Zuneigung und bedingungslose Loyalität
Ausschlaggebend ist des Weiteren das Konzept des Paternalismus: Der Vorgesetzte bringt dabei seinen Mitarbeitern „väterliche“ Zuneigung entgegen und setzt sich engagiert und uneigennützig für sie ein. Die Mitarbeiter empfinden im Gegenzug eine fast bedingungslose Loyalität für ihn und unterstützen ihn nach Kräften. Diese gegenseitige Verpflichtung ist die Grundlage für eine gute Vertrauensbasis und für einen engen Zusammenhalt – die Firma wird zu einer Familie. Auch im Japan des 21. Jahrhunderts bevorzugen die meisten Angestellten nach wie vor paternalistische Vorgesetzte. Eine solche Beziehung entspricht dem begehrten Bedürfnis nach Anlehnung und Hilfestellung, so können sie den erwünschten Schutz in der Gruppe suchen.
Sollten Sie als deutscher Manager vor Ort Führungsverantwortung haben, empfiehlt es sich eine geschickte Verknüpfung japanischer und westlicher Management-Methoden. Hierfür ist äußerstes Feingefühl erforderlich! Ihre Angestellten sind sicherlich an Verbesserungen interessiert, jedoch können bestehende soziale Konzepte nicht schlagartig und komplett ausgeblendet werden. Nehmen Sie sich daher Zeit, die bestehenden Strukturen und Mitarbeiter kennenzulernen, bauen Sie vertrauensvolle Beziehungen auf und sprechen Sie gelegentlich auch über Privates. Erklären Sie außerdem Ihre Entscheidungen und gehen Sie dabei bedacht vor. Beachten Sie zudem stets die vorherrschenden Hierarchien.
Noch ein allgemeiner Hinweise zum Schluss: Orientieren Sie sich im Verhalten am besten an den Japanern in Ihrer Umgebung vor Ort. Grundsätzlich gilt: die ostasiatische Tradition, sich selbst zurückzuhalten und sein Gegenüber etwas höher zu heben, sorgt für harmonische Beziehungen. Hingegen stößt lautes, rechthaberisches, prahlerisches oder zu vertrauensseliges Verhalten – wie es oftmals mit Westlern in Verbindung gebracht wird – auf Ablehnung.
Bitte denken Sie auch immer daran, dass es „den Japaner“ nicht gibt, denn nicht alle handeln auf identische Weise. Die beschriebenen Hintergründe können Ihnen jedoch eine nützliche Hilfestellung geben, neue Situationen besser einzuschätzen.
Erfahren Sie mehr: interkulturelles Training + zusätzliche Artikel zu Japan
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Unter folgendem Link finden Sie alle Artikel zum Zielland Japan.
Literaturempfehlungen rund um interkulturelle Trainings und das Zielland Japan
1 Götz, Klaus: „Interkulturelles Lernen/Interkulturelles Training [Managementkonzepte]“, München/Mering: Rainer Hampp Verlag
2 Karasjew, Michael: „Entwicklung interkultureller Kompetenz in der betrieblichen Weiterbildung: Interkulturelle Trainings und Methoden“, Norderstedt: GRIN Verlag
3 Müller-Jacquier, Bernd/ten Thije, Jan D.: „Interkulturelle Kommunikation: interkulturelles Training und Mediation“, in: Becker-Mrotzek, M./Brünner, G./Cölfen, H. [Hrsg.]: „Linguistische Berufe“, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien: Lang, 39-57.
4 Mazziotta, Agostino: „Interkulturelle Trainings: Ein wissenschaftlich fundierter und praxisrelevanter Überblick [essentials]“, Wiesbaden: Springer Fachmedien-Verlag
5 Fetscher, Doris/Hinnenkamp, Volker: „Interkulturelles Kommunikationstraining und das Managen der interkulturellen Situation“, in: „Sprache und Literatur“ 74/1, 67-89.